Die Vollstreckung von russischen Gerichtsentscheidungen in Deutschland oder umgekehrt ist möglich. Die Mär, dass Entscheidungen ordentlicher deutscher oder russischer Gerichte mangels Anerkennung der Gegenseitigkeit im jeweils anderen Land nicht vollstreckbar seien, ist falsch, denn es gibt Ausnahmen.
Eine Ausnahme gilt für Transport- und Speditionsverträge. Für solche Verträge bestimmt Art. 31 Abs. 3 der Internationalen Vereinbarung über Beförderungsverträge (CMR), dass die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Gegenseitigkeit ist also von den Gerichten im Rahmen des Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nicht mehr zu prüfen. In Deutschland gibt es für diesen Ansatz zwei bekannte Präzedenzfälle. Sowohl das Landgericht Augsburg[1] als auch das Landgericht Berlin[2] folgt diesem Ansatz.
Für deutsche Gerichte bedeutet dies, dass das Formerfordernis des § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, das heißt die Gegenseitigkeit der Anerkennung von Gerichtsentscheidungen für Ansprüche aus Transportverträgen nicht mehr zu prüfen ist. Dasselbe gilt für russische Gerichte.
Zusätzlich spricht der Sinn- und Zweck des Art. 31 Abs. 3 CMR dafür, dass die Gegenseitigkeit nicht mehr zu prüfen ist, denn Art. 31 Abs. 3 CMR soll gerade den Vertragsstaaten die Vollstreckung in einem Vertragsstaat erleichtern. Wären sämtliche Voraussetzungen des Art. 328 Abs. 1-5 ZPO zu prüfen, liefe Art. 31 Abs. 3 CMR weitgehend leer. Dieses Ergebnis vertritt auch die herrschende Literatur (Jesser-Huß/MüKo zum HGB 2009, für Weißrussland (Belarus) Art. 31 Rn. 38 m.w.N.; Helm in HGB Großkommentar Staub und Frachtrecht II CMR, 2002, Art. 31 Rn. 53; Völker in Hartenstein/Reuschle Handbuch des Fachanwalts Transport und SpeditionsR 2015 in Kap. D Rn. 44).
Art 31 Abs. 3 CMR ist zudem eine imperative Norm, die die Parteien nicht durch eine anderweitige Vereinbarung oder Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands ausschließen können.
Sollte eine deutsche Entscheidung in Russland nicht vollstreckbar sein, gibt Art. 150 des russischen Wirtschaftsprozesskodex‘ die Möglichkeit eine neue Klage in Russland einzureichen ohne das die Rechtskraft der deutschen Gerichtsentscheidung der neuen Klage entgegenstünde.
Für Schiedsgerichtsentscheidungen gilt der Art. 31 Abs. 3 CMR nicht, denn Entscheidungen von Schiedsgerichten werden grundsätzlich nach dem New-Yorker-Vollstreckungsabkommen anerkennt.
[2] LG Berlin 51 O 32/15.