1. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind im russischen Geschäftsverkehr noch immer die Ausnahme denn die Regel
Hintergrund ist die mangelnde Kodifizierung des AGB-Rechts. Die AGB-Kontrolle findet ihren Anknüpfungspunkt im russischen Recht zum Vertragsbeitritt nach Art. 428 ZGB. Dies ist dogmatisch sehr zweifelhaft, hat aber mit dem deutschen Recht gemein, dass Der Schutzzweck auf den Schutz der Partei abstellt, die einen bereits vorformulierten Vertrag annimmt. Die AGB-Kontrolle ist reine Billigkeitskontrolle ohne zusammengefasste Richtlinien, die die Gerichte in der Regel für bestimmte Themenschwerpunkte herausgeben. Unzulässige Vereinbarungen von AGB – bzw. aus russischer Perspektive des Vertragsbeitritts – sind in verschiedenen gerichtlichen Richtlinien unsystematisch verortet, so dass die Rechtsanwendung und Vereinheitlichung leidet.
Die Rechtsprechung unterwirft beispielsweise Vertragsschlüsse im Internet (i.d.R Lizenzvereinbarungen) der Billigkeitskontrolle. Jedwede Begrenzung der Haftung gegenüber Verbrauchern der Höhe nach ist unzulässig (Richtlinie des Plenums des Obersten Russischen Gerichts vom 01.07.1996 Nr. 6, Rn. 56). Enthalten die AGB einen Änderungsvorbehalt, so ist dieser wirksam, Verbrauchern wird aber ein Kündigungsrecht eingeräumt (FAS 15.01.2003 Ф04 144-1958/А45-2002; 09.08.2001 А28-1155/01-43/9).
2. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben
Das Rechtsinstitut des kaufmännischen Bestätigungsschreibens, d.h. dass diejenigen AGB des Kaufmanns, der als letztes unwidersprochen auf seine AGB verweist – z.B. in einer geänderten Auftragsbestätigung – wirksam werden, ist gänzlich unbekannt. Selbst für den internationalen Rechtsverkehr ließe sich kein Handelsbrauch konstruieren, da Russland den Schriftlichkeitsvorbehalt im UN-Kaufrecht für russische Vertragspartner erst 2009 abgeschafft hat. Es bleibt auch für den kaufmännischen Geschäftsverkehr beim Grundsatz, dass Schweigen keinen Erklärungsgehalt hat (Art. 157 ZGB).
Die in Russland häufig anzutreffende Formulierung einer bestimmten vertraglichen „Wirksamkeitsfrist“ oder „Wirksamkeitsdauer“ hat nicht die Bedeutung, dass nach Ablauf der Vertragsfrist sämtliche Vertragspflichten erlöschen (Oberstes Wirtschaftsgericht 26.04.2010 ВАС 1849/10, Art. 425 ZGB). Eine selbstverständliche, aber in Russland noch immer strittige Feststellung. Aus deutscher Sicht ist ein Vertrag auch nach Ablauf der „Vertragsdauer“ wirksam, denn er ist ja gerade der Rechtsgrund für das Behalten dürfen der ausgetauschten Leistungen.