Anerkennung russischer Gerichtsentscheidungen in Deutschland – Verbürgung der Gegenseitigkeit im Verhältnis zur Russischen Föderation


1. Verbürgung der Gegenseitigkeit im Allgemeinen[1]

Gemäß § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen, wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. Die Gegenseitigkeit ist verbürgt, wenn die Anerkennung und Vollstreckung eines entsprechenden deutschen Urteils in dem Urteilsstaat auf keine wesentlich größeren Schwierigkeiten stößt als die Anerkennung und Vollstreckung des anzuerkennenden Urteils in Deutschland, wobei bei der Prüfung auf die Praxis des ausländischen Staates abzustellen ist, also auf die tatsächliche Übung[2].

Das russische Recht lässt die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Gerichte grundsätzlich nur zu, wenn dies in einem völkerrechtlichen Vertrag geregelt oder gesetzlich vorgesehen ist.

Die vorliegend einschlägige Vorschrift des Art. 241 Punkt 1 der Wirtschaftsprozessordnung lautet in deutscher Übersetzung:

Entscheidungen der Gerichte ausländischer Staaten, die in Sachen gefällt wurden, die mit unternehmerischer und anderer wirtschaftlicher Tätigkeit zusammenhängen (…) werden in der Russischen Föderation anerkannt, wenn die Anerkennung und Vollstreckung solcher Entscheidungen durch einen völkerrechtlichen Vertrag der Russischen Föderation und ein Föderales Gesetz vorgesehen ist. 

Ein solcher völkerrechtlicher Vertrag liegt im Verhältnis zwischen Russland und Deutschland nicht vor. Eine gesetzliche Regelung im russischen Recht, die die Anerkennung einer entsprechenden Entscheidung dennoch anordnen würde, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Trotz des eindeutigen Wortlauts ist es in der russischen Rechtswissenschaft allerdings stark umstritten, ob das russische Recht nicht auch eine Anerkennung auf der Grundlage der Gegenseitigkeit im Verhältnis zu den Staaten erlaubt, mit denen keine völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen sind. Auch die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Es gab einige Entscheidungen, in denen eine Anerkennung auch ohne einen völkerrechtlichen Vertrag erfolgte[3].

2. Keine Gegenseitigkeit im Verhältnis zu Russland

 Die Frage, ob die Gegenseitigkeit im Verhältnis zu Russland als verbürgt anzusehen ist, wurde allerdings im Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vor kurzem verneint[4].

Unabhängig von der Frage, ob die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts in der Sache richtig war[5], ist davon auszugehen, dass die Gegenseitigkeit aus Sicht der russischen Gerichte nunmehr nicht verbürgt ist. Selbst wenn die russischen Gerichte grundsätzlich dazu bereit sind, Urteile ausländischer Gerichte auf der Grundlage der Gegenseitigkeit anzuerkennen, würde die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts dies im Verhältnis zu Deutschland wohl unmöglich machen.

Damit ist die Anerkennung von Urteilen russischer Gerichte in Deutschland grundsätzlich ausgeschlossen, weil die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. Dies gilt auch für Urteile, die keiner Vollstreckung bedürfen.

[1] Der Artikel enthält Abschnitte aus dem Aufsatz Eugenia Kurzynsky-Singer, Wirkungen von zivilrechtlichen Gestaltungsurteilen russischer Gerichte in Deutschland, Deutsch-russische Rechtszeitschrift (DRRZ) 2018, S. 25-32.

[2] Musielak/Voit-Stadler, ZPO (14. Aufl. 2017), § 328 Rn. 31. Sinn und Nutzen des Gegenseitigkeitserfordernisses bei der Urteilsanerkennung werden im Schrifttum stark angezweifelt, vgl. nur Basedow FS Coester-Waltjen (2015), 335 ff. (346).

[3] Ausführlich und mit einzelnen Nachweisen: Kurzynsky-Singer, Anerkennung ausländischer Urteile durch russische Gerichte, RabelsZ 2010, 493-521.

[4] OLG Hamburg 13.07.2016, BeckRS 2016, 15565.

[5] Zur Kritik an der Entscheidung siehe z.B. Schramm, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen staatlicher Gerichte im deutsch-russischen Rechtsverkehr, WiRO 2017, 72-74.

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